Die Arche – Christliches Kinder- und Jugendwerk e.V.
Bernd Siggelkow, Pastor mit Schwerpunkt Kinder- / Jugendarbeit und Gründer, schuf 1995 im wahrsten Sinne des Wortes “Die Arche”. Die regelmäßigen Spielplatzbesuche, Gitarrenstunden im Wohnzimmer und Theaterübungen bekamen somit einen institutionellen Charakter. Für ihn war seit Beginn seiner Tätigkeiten klar, dass Kinder die Gegenwart der Gesellschaft sind. Der Verein verfolgt im Wesentlichen das Ziel, Kindern ein gerechtes Aufwachsen zu ermöglichen. Wenn es jedoch nach dem Gründer ginge, würde er die Türen der Arche am liebsten für immer schließen. Da das Ende der Kinderarmut jedoch unerreichbar erscheint, wird die Arche weiter Bestand haben. Um zu verstehen, wie der Begriff „Kinderarmut“ zu definieren ist, welche Lösungsansätze es gibt und warum der Bestand des Vereins zwingend notwendig ist, haben wir ein Interview mit Bernd Siggelkow geführt.
Während des Interviews wurde schnell klar, dass die Kinder und nicht der Verein im Mittelpunkt der Arbeit stehen. Diese Philosophie zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Konzept – beginnend bei der Ansprache von Mitarbeitenden bis hin zu den zahlreichen kindgerechten Angeboten virtuell und vor Ort. Wenn Bernd Siggelkow die Arche beschreiben müsste, würde er sie als „Familienergänzung“ definieren, da der Fokus nicht auf dem Programm, sondern auf Liebe und Beziehung liegt. Der Gründer erzählt uns von einer prägenden Begegnung mit einem jungen Mädchen, das noch vor der offiziellen Gründung der Arche seine Augen geöffnet hat. Sie klammerte sich damals auf dem Spielplatz an sein Bein und fragte: „Bernd, möchtest du mein Papa sein?“ Das Mädchen hatte eine genaue Vorstellung, wie sie sich ihre Eltern und eine heile Welt vorstellt. In ihrem Leben sah die Familienrealität jedoch ganz anders aus. Die offensichtliche Not dieser Kinder und ihre Suche nach Hilfe hat ihn schließlich dazu bewegt, alle Kirchenämter abzulegen und sein Leben den Menschen in Berlin Hellersdorf (kinderreichster Bezirk Europas) zu widmen. Das Mädchen aus seiner Erzählung hat später immer wieder Freundinnen mit in die Arche gebracht, damit diese ebenfalls ihre erweiterte Familie kennenlernen und sich auch als Familienmitglied fühlen konnten.
Herzlich willkommen!
Alle Kinder zwischen 2 und 18 Jahren sind bei der Arche willkommen. Das Angebot umfasst ganzheitlich jeden Lebensabschnitt “vom Kindsein, ins Teenageralter bis hin zur Berufsausbildung, die [die Arche] auch vermittel[t]”. Konkret bedeutet das zum Beispiel kostenloses Mittagessen, kostenlose Nachhilfe, ein breites Angebot an Sport sowie Rückzugsmöglichkeiten und Zeugnispartys. Diese Partys werden jedes Schulhalbjahr veranstaltet und Kinder erhalten gegen Vorlage des Zeugnisses ein Geschenk. Die Noten sind hierbei zweitrangig. Dem Kind soll vermittelt werden, dass es bei schlechten Noten keine Bestrafung zu befürchten hat. Nichtsdestotrotz wird den Kindern angeboten, gemeinsam die Noten zu verbessern. Im Vordergrund steht die Aufgabe, die Kinder in ein selbstbestimmtes gesellschaftsfähiges Leben zu begleiten. Laut Bernd Siggelkow soll die Arche nicht nur eine Einrichtung sein, die sich um bedürftige Kinder kümmert, sondern die Stimme der Kinder in Deutschland sein, die von Armut betroffen sind.
Der Verein ist allein in Deutschland an 29 Standorten im Einsatz. Neben dem “Mutterhaus” in Berlin Hellersdorf ist er unter anderem auch an öffentlichen Schulen, online und durch mobile Arbeiten vertreten.
“Du bist geliebt, du bist wertvoll, du bist einzigartig.”
Das Wort „christlich“ im Vereinsnamen bedeutet nicht, dass nur christlich gläubige Kinder bei der Arche willkommen sind. Laut dem Gründer ist “Die Arche” der Verein mit den meisten muslimisch gläubigen Kindern in Europa. Die christlichen Werte, wie zum Beispiel Toleranz, werden lediglich von den Mitarbeitern aktiv gelebt und weitergegeben. Toleranz ist laut ihm ein biblischer Begriff und bedeutet, den Menschen so zu sehen, wie er ist. Die Kinder und Jugendlichen sollen erfahren, dass es einen unsichtbaren Gott gibt, der sie so annimmt, wie sie sind. „Für mich ist es eher wichtig, dass wir als Mitarbeiter den Blick auf die Menschen haben, wie, ich überspitze mal, wie Gott den Blick auf die Menschen hat. Nicht verurteilend, sondern liebend. Nicht fragend, [...] sondern aus der Sicht ‘du bist geliebt, du bist wertvoll, du bist einzigartig’.” Das ist für Bernd Siggelkow die zentrale Botschaft dieser Arbeit.
Während seiner 27-jährigen Tätigkeit musste der Gründer jedoch auch miterleben, dass die Arche trotz größter Bemühungen nicht alle Kinder schützen kann. Kinderarmut kann schlimmstenfalls den Tod bedeuten. Es muss laut Bernd Siggelkow ein Bewusstsein für kinderfreundlichen Umgang in der Gesellschaft geschaffen werden. Egal, ob die Kinder zur Arche gehen oder nicht – er kann ihnen laut Eigenaussage die Armut ansehen.
Die Arche gegen Kinderarmut in Deutschland
Obwohl Deutschland auf der Liste der zwanzig reichsten Länder der Welt steht, ist Armut hierzulande kein Fremdwort. Bis zum Anfang der 2000er Jahre wurde Kinderarmut nicht als eigenständiges Problem gesehen. Hierbei geht es nicht nur um die finanzielle, sondern auch um die emotionale Armut. Auf der einen Seite werden Kinder sozial benachteiligt, da das Geld für Essen, digitale Endgeräte und Wohnraum fehlt. Andererseits wird das Selbstwertgefühl gemindert, da die Eltern beispielsweise aufgrund andauernder Arbeitslosigkeit perspektivlos geworden sind. Die beiden Problematiken sind nicht gleichzusetzen, wobei sie sich jedoch häufig ergänzen. “Benachteiligte Kinder wünschen sich mit sechs Jahren häufig kein Spielzeug mehr, weil sie ihre Armut kaschieren wollen. Sie wünschen sich Markenklamotten oder ein Handy.” Diese Kinder entwickeln sich rasant und beschäftigen sich nicht mehr mit kindgerechten Dingen. Kinder sollten die Möglichkeit haben, ihre Kindheit in allen Facetten erleben zu dürfen. Der Verein bietet nicht nur Kindern einen Raum zum Austoben und Kindsein, sondern auch ein umfassendes Angebot für die Eltern. Das Problem entsteht meist in den Elternhäusern, die folglich gestärkt werden müssen, um eine nachhaltige Veränderung bewirken zu können. Es werden Beratungsangebote, Elterncafes und Hausbesuche von der Arche angeboten.
Einfluss der Pandemie und den Preiserhöhungen
Die beschleunigte Digitalisierung durch die Corona-Krise hat der Arche langfristig neue Möglichkeiten eröffnet. Teammeetings, Interviews und Fe
rnsehauftritte können virtuell stattfinden und für die Kinder ist ein erweitertes Online-Angebot entstanden. Hierzu zählen Lernvideos, die spielerisches Lernen fördern, regelmäßige Aktionen, wie aktuell zum Beispiel die Kochvideos mit einer Starköchin und das virtuelle Nachhilfeprogramm des Vereins. Davon abgesehen hatte die Pandemie jedoch auch negative Auswirkungen. Als bekannt wurde, dass die Arche aufgrund des Lockdowns gezwungenermaßen schließen musste, stand sie vor großen Herausforderungen. Bernd Siggelkow erkannte das erhöhte Risiko für häusliche Gewalt und sexuellen Missbrauch. Zur Prävention wurde in kürzester Zeit eine virtuelle Arche geschaffen, die Programme in die Familien brachte. Neben der starken Online-Präsenz hat die Arche laut Bernd Siggelkow als einzige Einrichtung in Deutschland auch während des Lockdowns weiterhin die Familien zu Hause besucht und mit Essen und moralischem Beistand beliefert. Als der Gründer erfuhr, dass es in seiner Wahlheimat Berlin 150 Kinder gibt, die kein Smartphone besitzen und somit keine Möglichkeit hatten, am Homeschooling teilzunehmen, wurde er direkt aktiv. Innerhalb einer Woche organisierte er mit der Arche über Facebook-Aufrufe die fehlenden Geräte. Über diese erweiterten Angebote haben viele zusätzliche Familien Vertrauen aufgebaut, was nun zur Folge hat, dass mehr Personal und Geld benötigt werden.
Bernd Siggelkows Arbeitsalltag
Für den Gründer gleicht kein Tag dem anderen. Er betreut ein breites Aufgabenfeld. An erster Stelle stehe für ihn jedoch weiterhin die Arbeit am Kind. “Wenn ich nicht mehr am Kind arbeiten kann, dann kann ich aufhören. Weil dann bin ich nicht mehr ich selber.” Neben seinen alltäglichen Aufgaben, zu denen unter anderem Medienauftritte, Besprechungen und Vorträge gehören, vermittelt er neuen Mitarbeitern „die DNA der Arche”. Bernd Siggelkow hat ständig neue Projektideen - als nächstes soll ein eigener Handwerksbetrieb gegründet werden, in dem Jugendliche in der Einrichtung ausgebildet werden sollen. Außerdem wurde er in den letzten zwei Jahren von Politiker:innen und politischen Parteien gebeten, bei der Erstellung von Konzepten zur Bekämpfung von Kinderarmut zu helfen oder beratend zur Seite zu stehen.Darüber hinaus ist er ein aktiver Hundetrainer und arbeitet derzeit mit seiner Frau an dem sogenannten “Harmony Dog” Projekt. Hierfür werden Therapiehundeführer und Hunde von der Arche ausgebildet und beispielsweise in Schulen oder benachteiligten Familien eingesetzt. Dadurch sollen Defizite ausgeglichen und Harmonie geschaffen werden.
Wie kannst Du mitmachen?
Engagierte Personen können sich jederzeit bei der Arche melden. Die Aufgabengebiete sind breit gefächert - ob in der Küche, beim Spendensammeln oder bei der Nachhilfe. Es werden immer Menschen gebraucht, die sich in Menschen investieren. Bei einem Kennenlerngespräch werden unter anderem Interessen besprochen und auch, ob es derzeit einen Bedarf für die angestrebte Tätigkeit gibt. Außerdem werden auch die speziellen Voraussetzungen für den Umgang mit Kindern vermittelt. Hierbei spielt Kontinuität eine große Rolle. Direkt zu Beginn wird ihnen häufig die Frage gestellt, wie lange sie bleiben. Diese Kinder sind es meist nicht mehr gewohnt, vertraute Personen in ihrem Leben zu haben, die nachhaltig als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. So können sich neue Mitarbeiter:innen in den Köpfen und Herzen der Kinder als Freund:innen oder erweiterte Familienmitglieder etablieren. Ihnen ist wichtig, dass jemand zuhört, an sie glaubt und sich um sie kümmert.
Da die Arche als Antwort auf Missstände in der Gesellschaft entstanden ist, kann jede Person im Alltag aktiv werden und zum Kampf gegen Kinderarmut beitragen. Das geht ganz einfach schon durch mehr Kinderfreundlichkeit, ein offenes Ohr und eine nette Begrüßung bei Begegnungen. “Nicht jeder Mann, der einem Kind ‘Guten Morgen’ sagt, ist pädophil”.
Finanzierung
Die Arche wird ausschließlich durch Spenden finanziert. Bei den jährlich stattfindenden Budgetbesprechungen seit Pandemiebeginn ist aufgefallen, dass einige Spender:innen abgesprungen sind, da sie sich die finanzielle Unterstützung nicht mehr leisten können. Darüber hinaus sind durch die andauernden Krisen noch mehr Familien in die Armut geraten, was wiederum erhöhte Ausgaben zur Folge hat. Statt Briefe zu verschicken und so Spenden zu erbitten, versucht der Verein, mit interessanten Projekten auf sich aufmerksam zu machen. Die Einnahmen sorgen unter anderem dafür, dass Menschen ein gesichertes Überleben ermöglichen. Derzeit wird ein neu ins Leben gerufener Lebensmittelhilfsfonds mit Geld gefüllt. Pro Jahr werden über 15 Millionen Euro benötigt. Um diese Summe anzusparen, benötigt es weiterhin viele Unterstützer:innen. Dieser Fonds soll künftig dafür sorgen, dass die Budgets der einzelnen Einrichtungen nicht mehr für die Lebensmittelversorgung der Familien belastet werden. Neben der finanziellen Unterstützung werden Sachspenden auch immer benötigt.
Weiterführende Informationen zu dem Verein findest Du auf ihrer Website und Instagram-Kanal.