Faces of Moms: “Betroffenheit schafft Solidarität!”
Aktualisiert: 15. Aug. 2022
“Die Frage nach der Zukunft der Care-Arbeit ist auch die Frage nach einem guten Leben für Alle.” - Faces of Moms
Strukturelle Ungleichheiten in Bezug auf Mütter und gesellschaftlich ausgeschlossene Eltern und der fehlenden Werte in der Care Arbeit – auch abseits von Krisenzeiten – sind ein großes Thema, das viele soziale und politische Fragen aufwirft. Der Beginn der Corona-Krise hat unsere Gesellschaft dafür sensibilisiert. “Am Ende wurden die meisten Mütter in traditionelle Strukturen zurückgeworfen und noch weiter gedrängt.” so die Gründerinnen Nicole Noller und Natalie Stanczak.
Die im April 2020 gegründete Kampagne Faces of Moms ermöglicht Müttern und Menschen mit Erziehungsverantwortung eine Plattform, um sich zu äußern, um zu diskutieren und um zu zeigen, welchen Herausforderungen sie tagtäglich nicht nur während der Pandemie gegenüberstehen, “denn das Mutterbild und die gesellschaftlichen Erwartungen, die damit einhergehen, sind ein tradiertes gesellschaftliches Phänomen”. Mit Faces of Moms soll für den Wert von Care-Arbeit sensibilisiert und auf strukturelle Ungleichheit gegenüber Müttern und marginalisierten Elternteilen aufmerksam gemacht werden.
Viele Mütter nahmen verlängerte Elternzeit in Anspruch, mussten sich freinehmen und konnten ihr Geschäft oder ihre Arbeit nicht mehr aufnehmen. Eltern wissen nicht, wie sie ihre 40-Stunden-Woche – oft im Homeoffice – mit Kinderbetreuung oder Homeschooling vereinbaren sollen. Ohne Hilfe von außen kann sich die Belastung durch die Krise vervielfachen – insbesondere für Mütter, so Noller weiter.
Von Faces of Moms muss betont werden, “dass nicht jedem Menschen möglich ist, sich öffentlich über Care Arbeit, Eltern- und Mutterschaft zu äußern, ohne auch hier Diskriminierung zu erfahren.”. Aufgrund dessen können Interviews auch anonym abgegeben werden.
Wie sieht ein Arbeitsalltag für die Moms hinter Faces of Moms aus?

© Sandsackfotografie
“Wir beide machen den Podcast, legen alles an, sammeln Interviews und schicken Anfragen heraus. Von der Pressearbeit bis zur Ausstellungskonzeption teilen wir alles je nach Kompetenzen auf. Was jetzt auf dem Papier so easy klingt, ist eine krasse Herausforderung, insbesondere neben unseren beiden anderen Vollzeitjobs, der Care- und Lohnarbeit.”, so Stanczak.
Der Fokus der Arbeit liegt dabei insbesondere auf Müttern, alleinerziehenden Müttern, pflegenden Müttern, BiPoc Müttern und anderen marginalisierten Elternteilen. “Wichtig ist uns auf Intersektionalität von struktureller Ungleichheit aufmerksam zu machen, denn wir sitzen als Mütter und Eltern nicht alle in einem Boot.
Wir möchten unterschiedliche Lebensrealitäten zeigen, ohne zu bewerten oder zu verurteilen. Wir möchten Betroffene selbst sprechen lassen und nicht über sie. Wir möchten durch Sichtbarkeit Betroffenheit schaffen. Ein Bewusstsein für diverse Lebensrealitäten, denn wir glauben, dass nur so strukturelle Ungleichheit angegangen
werden kann. Betroffenheit schafft Solidarität. Und das ist unserer Meinung nach der erste Schritt in eine inklusivere Gesellschaft.”, ergänzte Stanczak.
Welche Erfahrungen innerhalb der Arbeit waren bemerkenswert?
Nicole Noller spricht die Benachteiligung von “Frauen, Frauen mit Kindern, Eltern in Erziehungsverantwortung” an und erläutert dies als ein strukturelles Problem.“. Dabei muss angefangen werden zu verstehen und der Elternschaft eine politische Ebene zu vergeben, um das eigene Wachstum in dieser Thematik, das Wissen um Zahlen und Fakten, die strukturelle Ungleichheit zu benennen.“ Die Organisation der Podiumsdiskussion und Fotoausstellung im Rahmen des Augsburger Friedensfestes im August 2021 war ein großer Meilenstein für uns. Das war wohl einer der schönsten Momente bis jetzt - die Wertschätzung und Sichtbarkeit für unsere Arbeit zu bekommen.” so Noller betonend.
Besonders erwähnt werden muss, dass viele Menschen kennengelernt worden sind, von denen Faces of Moms immer mehr dazugelernt hat.
Was würde Faces of Moms heute anders machen?
“Vielleicht würden wir uns heute mit unserem Wissen, das wir haben, anders nennen und nicht nur Mütter, sondern insgesamt Care-Arbeit in den Fokus nehmen. Denn nicht nur Mütter sind von struktureller Ungleichheit betroffen. Intersektionalität mehr in den Fokus nehmen, dass sich auch Menschen angesprochen fühlen, die sich nicht als Mütter begreifen, aber trotzdem die Mehrlast der Care-Arbeit tragen.”
Auf die Frage, was die zwei Moms Nicole und Natalie der Gesellschaft gerne mitteilen wollen würden, antworten sie: “In erster Linie wünschen wir uns, dass Menschen uns ZUHÖREN! Und dass ihnen bewusst wird, dass es strukturelle Ungleichheiten gibt, von denen Menschen unterschiedlich betroffen sind. Denn nur wenn der Status quo akzeptiert wird, kann sich auch etwas ändern.”.
Es ist wichtig, dass Menschen dies bewusst wird, damit gelernt wird, andere Menschen zu verstehen. “Ein Mensch ist nie nur die Struktur und nie nur ein Individuum. Es ist die Verwobenheit verschiedener Ebenen. Die eigene soziale Position zu reflektieren, zu wissen, wo bestimmte Verhaltensweisen und Codes herkommen, einen bewussten Umgang mit den eigenen Privilegien kennenzulernen und diverse Diskriminierungsformen anzuerkennen. Das ist es, was unsere Gesellschaft so sehr bräuchte, denn nur so können wir miteinander leben. Und wir möchten dieses Bewusstsein schaffen. Sichtbar machen. Solidarität und Betroffenheit schaffen.”, so Faces of Moms.
Abschließend betont Nicole Noller: "Ich wünsche mir, dass Mutterschaft heute bedeutet, ambivalent fühlen zu dürfen. Dass Verzweiflung und Wut neben Liebe und Freude stehen können. Dass ich nicht verurteilt werde, weil ich neben meinen Kindern einen Job habe, der mich erfüllt. Ich würde mir wünschen, dass ich nicht qua Geburt meiner Kinder sozial und ökonomisch bestraft werde. Egal, ob ich nun zuhause bleibe oder arbeiten gehe. Ich wünsche mir, dass Elternschaft als Qualitätsmerkmal gesehen wird und unsere Gesellschaft endlich begreift, was Care-Arbeit für sie bedeutet: Alles!"
“Uns hat die Kampagne betroffener gemacht. Solidarischer. Unser Bewusstsein für Ungleichheiten geschärft. Und genau das ist unsere Vision für die ganze Gesellschaft.”
Wie kann Faces of Moms unterstützt werden?

© Sandsackfotografie
Falls Du auch Interesse hast, an diesem Projekt teilzunehmen und ein Interview abzugeben, melde Dich gerne entweder über www.instagram.com/facesofmoms/ oder schreibe gerne eine E-Mail an facesofmoms@gmail.com. Hört und bewertet den Podcast “Wie gehts dir wirklich?” Kauf oder verschenke das Buch “Bis eine* weint!”
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