Klimaaktivismus
Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die möglichen Folgen verpasster Maßnahmen und unambitionierten Handelns können potentiell fatal für die Weltbevölkerung sein. Aber wie können Bürger Einfluss nehmen, um diese Krise abmildern zu können? Welche Organisationen betreiben Aktivismus? Welche Methoden werden genutzt? Und wie kann ich mitmachen? Diesen Fragen soll sich dieser Artikel widmen. Er ist für alle gedacht, denen die Bewältigung der Klimakrise am Herzen liegt, die aber nicht wissen, wie sie diesem Anliegen nachkommen sollen.
Demos besuchen
Der einfachste Weg, politische Forderungen – z.B. Maßnahmen gegen die Klimakrise – seine Unterstützung zu geben, ist der Besuch von Demonstrationen. Jede anwesende Person verstärkt die Forderungen. Je mehr Leute an einer bestimmten Demonstration teilnehmen, desto mehr Beachtung erhält diese Demo, z.B. in Medien wie Zeitungen oder Radio, aber vor allem auch bei politischen Entscheidungsträgern. Der Druck zu Veränderungen wird bei Parlamentariern, Ministern oder Parteiamtsträgern immer größer, je mehr sie den Eindruck haben, dass eine wirklich große Masse für eine gewisse Forderung auf die Straßen geht. In vielen Städten ruft Fridays For Future immer noch jeden Freitag zu Demonstrationen auf, in anderen finden nur an den globalen Klimastreiks welche statt. Hier findest du Informationen über den nächsten globalen Streiktermin und ob in deiner Stadt auch Demos stattfinden!
Engagieren in einer Organisation
Neben dem Besuch von Demonstrationen gibt es auch zahlreiche Organisationen, bei denen man sich für Klimaschutz einsetzen kann. Im Anschluss wollen wir dir die größten und wichtigsten von ihnen vorstellen:
Fridays for Future

© Pexel - Markus Spiske
Fridays for future ist zweifellos die größte und bekannteste Organisation der Klimabewegung. Gestartet hat alles mit Greta Thunberg und dem Streiken vom Unterricht durch Schüler in Schweden. Die Bewegung breitete sich daraufhin in rasantem Tempo über die ganze Welt aus und vernetzt sich heute über fast alle Länder hinweg. Mittlerweile laufen nicht nur Schüler:innen bei den Demos mit und eine ganze Reihe an weiteren Gruppen bildete sich rund um FFF. Students for Future bildet zum Beispiel ein Dach für alle Studierenden, die sich an den Freitagsdemos beteiligen wollen und Parents for future gründete sich für die Eltern, die die Aktionen ihrer Kinder bzw. die gleichen Zwecke unterstützen wollen. FFF und ihre Tochterorganisationen sind allgemein in Ortsgruppen engagiert, die sich in regelmäßigen Abständen zu Plenarsitzungen treffen. Auf der FFF Webseite findest Du Links und Kontaktdaten zu allen Ortsgruppen. Wenn Du Interesse hast mitzumachen, dann kannst du einfach nach deinem Ort suchen und Kontakt mit deiner Ortsgruppe aufnehmen. Oder du schaust auf den Social Media Kanälen vorbei und findest dort den nächsten Plenumstermin.
Porträt eines Aktivisten
Michael Staniszweski ist Fridays for Future Aktivist und erzählt uns von seinen Erfahrungen und Aktionen. Angefangen hat alles in Bayern. Michael kommt aus Dachau, studierte in München und kam auch dort zu Fridays for Future. Politisiert, sagt er, wurde er durch die Schule und die Diskussionen zu den Flüchtlingsbewegungen 2015: “Und da kommt man schnell von einem Thema zum nächsten”. Besonders prägend für ihn war eine Interrail-Reise 2018, die ihm seine Privilegien und die Situation der Welt bewusst werden ließ. Dies politisierte ihn und er fing an, sich immer mehr für die politische Situation zu interessieren und entwickelte das Bedürfnis nach Veränderung. Als er das erste Mal zufällig an einer FFF-Demo vorbeikommt, schließt er sich kurzentschlossen an und rutscht so in das Umfeld der Bewegung. Durch Social Media und Websites erfuhr er von Plenum-Terminen und wuchs so in das Umfeld des Klima-Aktivismus. Später gründete er mit anderen Aktivist:innen die Ortsgruppe in seinem Heimatort Dachau. Heute lebt er in Brüssel, studiert dort im Master, arbeitet im EU-Parlament und ist immer noch aktiv! So besuchte er Demos dort und arbeitete federführend an der Taxonomie-Kampagne mit. Hier wurde versucht, die Deklarierung von Gas und Atomkraft als nachhaltig zu verhindern.
Michael beobachtete eine große Veränderung in der Bewegung über die Zeit seines Engagements hinweg. Während in den Anfangsjahren der Bewegung noch das Motto “Listen to the science” das oberste Leitmotiv war. Stellt sich die Argumentation nun weitaus detaillierter und reflektierter dar. So wird der Fokus nun mehr auf die sog. MAPAs (Most Affected People and Areas) gelegt und die Bewegung nimmt eine dezidierte Haltung gegenüber Neokolonialismus ein. Die Nachricht ist nun nicht mehr nur "Hört auf die Wissenschaft", sondern fordert Engagement vor allem für die Menschen, die am meisten unter den Folgen der Klimakrise leiden. Er rät jedem, dem dieses oder ein anderes Thema sehr am Herzen liegt, im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten aktivistisch tätig zu werden. Ganz wichtig ist für ihn das Zuhören. Auf der einen Seite den Informationen zuhören, aber vor allem anderen Meinungen und den MAPAs zuhören. “Politisiert euch! Bildet euch! Und übt Druck aus!”
Ziviler Ungehorsam
Während Fridays for Future hauptsächlich auf angemeldete Demonstrationen und Streiks setzt, gehen Organisationen wie Extinction Rebellion und Letzte Generation noch einen Schritt weiter. Die Mitglieder der Organisationen sind der Meinung, dass die gängigen Protestweisen, nämlich Demonstrationen und Schulstreiks, ihre versprochene Wirkung bisher nicht gezeigt haben. Um wirkliche Veränderungen zu erwirken, sei das einzig wirksame Mittel der zivile Ungehorsam. Dies kann viele unterschiedliche Formen haben, alle Organisationen bekennen sich aber klar zur Gewaltfreiheit.
Organisationen, die Mittel des zivilen Ungehorsams benutzen, stehen derzeit stark in der Kritik. Nach einer Straßenblockade und der Unterbrechung des Flugverkehrs in Berlin entfachte sich eine Debatte um die Legitimität solcher Protestformen. Viele Poliker:innen bezeichnen die Aktionen der Gruppierungen und Aktivist:innen selbst als: "inakzeptabel", “hochgefährlich”, “kiminell” oder sogar als “Klimaterroristen”. Für viele wurde durch die Blockaden z.B. des Flughafens – oder bereits vorher – eine rote Linie überschritten, welche die Legitimität dieses Protestes in Frage stellt. So schlagen konservative Parteifunktionäre nun härtere Strafen oder sogar präventive U-Haft vor, um angekündigte Blockaden zu unterbinden. In München wurden 14 Aktivist:innen in Präventivgewahrsam genommen.
© Pexels - Vincent M.A. Janssen
Allerdings ist die rechtliche Situation dieser Blockaden und anderen Protestaktionen wesentlich komplexer. Zwar kann das Blockieren des Straßenverkehrs beispielsweise den Tatbestand der Nötigung bedeuten, allerdings folgt daraus nicht, dass sie deswegen illegal sein müssen. Artikel 8 des Grundgesetzes sichert das Recht auf Versammlungsfreiheit nämlich nicht nur für angemeldete und strukturierte Demonstrationszüge, sondern beinhaltet auch spontane und disruptive Protestformen. Hierzu ist allerdings ein klarer Zusammenhang zwischen dem blockierten Gegenstand und dem Zweck des Protestes nötig. (Quelle) Ob dieser im Kontext der Klimaproteste gegeben ist, ist unklar und wird unter Rechtswissenschaftlerin diskutiert.
Extinction Rebellion (XR)
Die Bewegung Extinction Rebellion entstand in England durch die Zusammenführung mehrerer Vorläuferbewegungen und ist mittlerweile in 67 Ländern vertreten. Ihr erklärtes Ziel ist es mithilfe von zivilem Ungehorsam Maßnahmen von Regierungen zu erzwingen und das Arten- und Menschensterben durch die Folgen der Klimakrise zu verhindern. Die Bewegung besinnt sich auf drei grundlegende Forderungen:

Tell the truth: Die Fakten über die Lage der Klimakrise müssten in das öffentliche Bewusstsein gebracht werden. Hierzu sollen Regierungen den Klimanotstand ausrufen um der Ernsthaftigkeit der Situation gerecht zu werden.
Act Now: Es wird ein Treibhausgas Netto-Null bis 2025 gefordert
Beyond Politics: Die aktuelle Politik müsse umgedacht werden, um erfolgreich die Folgen der Krise abwenden zu können. XR fordert die Errichtung sog. Bürgerversammlungen, bei denen zufällig ausgewählte Bürger:innen politische Institutionen beratend unterstützen sollen.
Zur Erreichung dieser Ziele wurden bereits unterschiedliche Aktionen durchgeführt. So blockierten Mitglieder der XR Kohlekraftwerke, den Tagebau von Braunkohle oder Flughafenterminals oder besprühten öffentliche Gebäude mit Kunstblut.
Extinction Rebellion organisiert sich auch in Ortsgruppen und bereitet Interessierte mit Online und Präsenzkursen auf den Einsatz in Aktionen vor. Auf der Website der Organisation findest du dazu mehr Informationen.
Letzte Generation
Die Aktionen der Letzten Generation waren in den letzten Wochen ganz oben in den Schlagzeilen der Presse und in den gesellschaftlichen Diskursen. Die Bewegung entwickelte sich aus Teilnehmern des Hungerstreiks der letzten Generation im Jahr 2021. Sie begreifen sich als die Stimme der letzten Generation, die aufgrund von Klima-Kippunken noch die Möglichkeit hat, die Klimakrise aufzuhalten und ihre Folgen einzudämmen. Die Bewegung ist grundsätzlich davon überzeugt, dass die Einhaltung des 1,5 Grad Ziels nicht mehr möglich ist. Deshalb fordert sie zusammen mit Scientists Rebellion und Debt for Climate dieses Eingeständnis der Bundesregierung. Des Weiteren wird die Erlassung der Schulden für den globalen Süden gefordert, damit finanziell verschuldete Staaten nicht länger auf die Förderung von fossilen Brennstoffen angewiesen sind. Außerdem wird ein Tempolimit auf 100km/h sowie die Wiedereinführung des 9€ Tickets gefordert, um eine wirkliche Verkehrswende in Gang zu bringen.
Die letzte Generation führte bereits einige Aktionen durch. Angefangen wurde mit dem Verschenken von containerten Lebensmitteln, um auf die Lebensmittelverschwendung und die Auswirkungen der Landwirtschaft auf das Klima aufmerksam zu machen. Anschließend wurden die Aktionen disruptiver und bekamen nationale Aufmerksamkeit. Die Blockaden von Autobahnauffahrten und Straßen wurden in den letzten Wochen angeregt diskutiert. Hierbei kleben sich Mitglieder der letzten Generation mit Hilfe von Sekundenkleber oder Bauschaum auf Straßen und Autobahnauffahrten, um die Räumung durch die Polizei zu erschweren.
Zum Mitmachen kannst du dich auf der Webseite der Bewegung für ein Aktionstraining anmelden, bei dem du Deeskalation und disziplinierte Gewaltlosigkeit erlernst. Vorher solltest du allerdings den Vortrag der Organisation gehört haben, um dich über die Organisation an sich und die Strategie aufklären zu lassen.
Ende Gelände
Die Organisation Ende Gelände positioniert sich vor allem gegen den Abbau und das Verbrennen von Kohle für die Stromerzeugung und gegen die Atomkraft. Kombiniert wird dies mit einer klaren antikapitalistischen Haltung und der Forderung nach einem Systemwandel. Deshalb und auch wegen der Mitarbeit der Interventionistischen Linken wird die Organisation vom Verfassungsschutz als “linksextremistisch beeinflusst” bezeichnet, die Organisation bestreitet diese Forderungen allerdings und beteuert, dass zwar der Kapitalismus allerdings ausdrücklich nicht die Demokratie und abgelehnt wird.

© Pexel - Markus Spiske
Die Organisation veranstaltet jährlich mindestens eine Massenaktion, beispielsweise das Klimacamp im August dieses Jahres. Das Camp stand unter zwei Überschriften: “Exit Gas now!” und “Neokolonialen Kapitalismus bekämpfen”. Zu diesem Zweck wurden Proteste und Blockaden organisiert und durchgeführt, die beide Themen betreffen. Es wurden mehrere Baustellen, Infrastrukturelemente und Betriebe blockiert, darunter eine Pipeline-Baustelle, ein Kohlekraftwerk, der Hamburger Hafen und das Schienennetz. Außerdem setzt sich die Organisation verstärkt für das Dorf Lützerath ein, welches im Januar geräumt werden soll um Platz für den Abbau von Kohle zu schaffen.
Die Organisation ist auch in Ortsgruppen mit offenen Plenarsitzungen für alle organisiert. Interessierte können sich auf der Website der Organisation über diese informieren.
Online
Aktivismus kann aber auch ohne Organisation und online stattfinden. Viele diskutieren online, um Menschen zu informieren und zu überzeugen. So auch die Betreiberin der Instagram-Seite Mach.Was. Auf ihrem Feed teilt sie beispielsweise wissenschaftliche oder tagesaktuelle Informationen zum Thema Klimakrise und teilt ihre Gedanken zu den angesprochenen Themen. Sie gibt Denkanstöße und versucht ihre Follower zu inspirieren und zum Diskutieren anzuregen. So will sie ihre Mitmenschen dazu animieren, mehr für den Klimaschutz zu tun, zu demonstrieren oder informierte Entscheidungen zu treffen. Auch das Diskutieren kommt nicht zu kurz. So stößt sie oft Diskussionen in den Kommentaren großer Posts mit Menschen mit gegenteiligen Meinungen an und versucht, diese aktiv für den Schutz des Klimas zu gewinnen. Sie erzählt uns, dass dadurch schon sehr viele interessante Gespräche über diverse Themen wie Proteste, Veganismus oder Fridays for Future entstanden sind.
Aktivismus kann viele Formen haben. Welche Form des politischen Engagements die richtige ist, muss jede:r für sich selbst herausfinden. Die Beteiligung an Demonstrationen ist die einfachste Möglichkeit, um öffentlich einen Beitrag zu politischen Veränderungen zu leisten. Während es sehr viel mehr Mut und Entschlossenheit von Aktivist:innen abverlangt, die Freiheit für seine/ihre Vision aufs Spiel zu setzen. Allerdings kann politisches Engagement auch in kleinerem Rahmen stattfinden. Sich selbst und sein Umfeld über aktuelle Situation und Folgen der Klimakrise zu informieren, ist die Grundlage, um eine lebenswerte Zukunft für alle zu schaffen, und diese lässt sich nur dadurch erreichen, dass alle Meinungen gehört und ausgetauscht werden.