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Klimakompensation - aber lokal!

Aktualisiert: 3. Nov. 2022

Energiewende, Wirtschaftsumbau und Klimaneutralität – Das sind die Ziele der Non-Profit Organisation ForTomorrow. Große gesellschaftliche Ziele wie die Klimaneutralität in der EU und den Ausbau erneuerbarer Energien haben sie sich auf die Fahne geschrieben und verknüpfen diese mit Zielen für Individuen. So will die Organisation den durchschnittlichen persönlichen Fußabdruck eines Menschen in der EU von derzeit 9 bis 10 Tonnen (Umweltbundesamt) auf ein klimaverträgliches Niveau von unter einer Tonne bringen. Wir haben mit Christopher Schulz gesprochen, um herauszufinden, wie die Berliner Gruppe rund um Gründerin Ruth von Heusinger ihr Ziel erreichen wollen.


© ForTomorrow


Kompensationsmaßnahmen


Grundlegend fußen die Bemühungen der gemeinnützigen GmbH auf Kompensationsmaßnahmen für den Ausstoß von CO2. So kann jeder, der möchte, auf der Webseite von ForTomorrow ein Abonnement abschließen, um seinen persönlichen Fußabdruck vollständig zu kompensieren. Mit einer monatlichen Zahlung von 54 € kann der durchschnittliche Verbrauch eines Europäers oder einer Europäerin, den die non-profit auf 9 Tonnen beanschlagt, ausgeglichen werden. Hierfür werden zwei Methoden genutzt, einerseits die Aufforstung von Wäldern in Deutschland und andererseits das Stilllegen von CO2-Zertifikaten des europäischen Emissionshandels. Der Fokus des Unternehmens richtet sich in erster Linie an Privatpersonen oder Familien, allerdings arbeiten sie auch mit Unternehmen zusammen. Betriebe können auch größere Mengen CO2 bei ForTomorrow kompensieren lassen. Wenn ein Unternehmen seinen eigenen CO2-Fußabdruck bereits kennt, kann ForTomorrow diesen direkt kompensieren. Falls nicht, unterstützt ein Experte dabei, den CO2-Fußabdruck des Unternehmens genau zu ermitteln.

© ForTomorrow


Aufforstung in Deutschland


Die Aufforstung von Wäldern ist, wie gemeinhin bekannt, ein gutes Mittel um CO2 aus der Atmosphäre zu binden. Bäume können über ihre Lebensdauer hinweg eine große Menge CO2 in sich aufnehmen und stellen so eine sehr wichtige Kohlenstoffsenke dar. Um dieses Potenzial zu nutzen, pflanzt ForTomorrow in Zusammenarbeit mit dem Verein ‘Schutzgemeinschaft deutscher Wald e. V.’ Bäume in Deutschland. Hier findet sich bereits der erste Punkt, in dem sich ForTomorrow von vielen anderen Kompensationsanbietern unterscheidet. Durch den Fokus auf die Aufforstung in Deutschland hat das Unternehmen eine deutlich höhere Kontrolle darüber, was nach dem Pflanzen mit dem Wald passiert, denn Wälder sind in Deutschland geschützt. Christopher Schulz führt aus und erklärt uns: “Was einmal Wald ist, bleibt Wald”. Wälder in Deutschland sind durch das Bundeswaldgesetz rechtlich abgesichert. Flächen, die einmal als Wald deklariert wurden, bleiben somit

erhalten, auch wenn sie teilweise oder ganz abgeholzt werden. Wenn Teile abgeholzt werden, müssen Aufforstungsbemühungen diese Teile wiederherstellen und falls ganze Flächen vernichtet werden, werden diese auf anderem Gebiet wiederhergestellt (BWaldG). In vielen anderen Ländern bestehen solche Regelungen nicht. So kann, wenn beispielsweise Regenwald aufgeforstet wird, nicht sichergestellt werden, dass dieser auch lange Zeit bestehen bleibt. Es besteht ein Risiko, wenn der Bedarf für Anbaufläche oder Holz in einem Land hoch ist, dass die durch ein Kompensationsprojekt aufgeforsteten Flächen wieder gerodet werden und somit der Effekt der Maßnahme deutlich geschmälert wird.


© ForTomorrow


Durch diesen Ansatz garantiert das Unternehmen seinen Kund:innen, dass durch ihre Beiträge finanzierte Baumpflanzungen auch Bestand haben. Ein Baum kann nämlich erst dadurch viel CO2 binden, dass er lange Zeit steht und wachsen kann. Außerdem bietet die Pflanzung in Deutschland auch den Vorteil der Transparenz. Interessierte könnten beim Verein jederzeit die Standpunkte der gepflanzten Wälder erfragen und selbst dort hinfahren und für sich überprüfen, ob die versprochenen Bäume auch tatsächlich dort stehen.


Die Entscheidung in Deutschland zu kompensieren wird auch damit begründet, dass man “seinen Müll ja nicht bei den Nachbarn ablädt”, wie Christopher Schulz ausführt. Europa wäre für seinen CO2 Ausstoß selbst verantwortlich und solle diesen demnach auch dort kompensieren. Zusätzlich schützt das Unternehmen sich und auch seine Kunden vor einer Doppelzählung dieser Kompensationsmaßnahmen. Dazu kann es dann kommen wenn Aufforstungsprojekte in anderen Ländern geführt werden. Es können Situationen entstehen, in denen sich sowohl das Kompensationsunternehmen als auch die Regierung des Gastlandes das kompensierte CO2 anrechnen und zertifizieren lassen. In der Folge führt dies dann dazu, dass global auf dem Papier durch dasselbe Projekt auf einmal die doppelte Menge an Treibhausgasen ‘eingebunden’ wird, während allerdings die echte Menge gleich bleibt. Man spricht in solchen Fällen von ‘Doppelter Inanspruchnahme.


Kauf von CO2 Zertifikaten


Eine weitere Methode, welche ForTomorrow in ihrer Arbeit benutzt, ist das Aufkaufen sowie die Stilllegung von CO2-Zertifikaten des europäischen Emissionshandels. In 2005 hat die EU, in Reaktion auf das Klimaschutzabkommen in Kyoto, ein Emissionshandelssystem für energieintensive Betriebe und den Energiesektor nach dem Prinzip des “Cap and Trade” eingeführt. Um in betroffenen Betrieben nun CO2 oder äquivalente Stoffe ausstoßen, wird seitdem ein CO2-Zertifikat benötigt. Dieses lässt sich in einer Versteigerung von der EU kaufen. Allerdings wird jedes Jahr nur eine begrenzte Anzahl an Emissionsrecht ausgegeben (‘cap’) und versteigert, hierdurch ergibt sich der Preis. Grundlegend wird nach diesem Konzept ein Preis auf den Ausstoß von Treibhausgasen gesetzt. Außerdem werden Betriebe belohnt, die es schaffen, ihren Ausstoß an CO2-Äquivalenten zu verkleinern, da sie weniger finanzielle Mittel auf den Kauf von Emissionsrechten aufwenden müssen. Zusätzlich können nicht benötigte CO2-Zertifikate auch wieder verkauft werden (‘trade’), was einen weiteren Anreiz für die Eindämmung von Emissionen darstellt. Zu Anfang des Emissionsrechtehandels lag das Cap und demnach auch der Preis, laut Experten, deutlich zu niedrig, um eine erhebliche Lenkungswirkung herbeizuführen. Seit 2017 ist der Preis allerdings deutlich gestiegen und lag beispielsweise 2021 bei ungefähr 80 Euro pro Tonne. Der Zertifikatehandel ist außerdem Teil der Bemühungen zur angestrebten Klimaneutralität. Die Menge der ausgegebenen Zertifikate sinkt mit jedem Jahr, bis sie 2050 auf null, bzw. ein klimaneutrales Niveau sinken soll.


ForTomorrow kauft ebenfalls Emissionsrechte, diese werden jedoch nicht zum Ausstoß genutzt, sondern stillgelegt. So will das Unternehmen einen Beitrag dazu leisten, die Wirkung des CO2-Preises zu erhöhen. Durch das Aufkaufen von solchen Zertifikaten sinkt die verfügbare Anzahl am Markt, der Preis der einzelnen Rechte steigt und somit auch die Wirkung der Maßnahme. So kann es beispielsweise dazu führen, dass das Betreiben eines Kohlekraftwerks unwirtschaftlich wird. Außerdem ist durch die EU garantiert, dass ein stillgelegtes Zertifikat auch automatisch eine Tonne CO2 weniger in der Atmosphäre bedeutet.

© ForTomorrow


Gesamtgesellschaftliches Engagement


Besonders wichtig ist Christopher Schulz die gesamtgesellschaftliche Wirksamkeit der Maßnahmen von ForTomorrow. Durch die Nutzung des europäischen Emissionshandels als Maßnahme zur Klimakompensation können die Organisation und auch die Kund:innen gesamtgesellschaftlichen Einfluss haben, der über die reine Neutralisierung des eigenen Fußabdrucks hinausgeht. Denn durch die Herausnahme des Emissionsrechts einer Tonne CO2 aus dem Markt wird nicht nur eine Tonne weniger ausgestoßen sondern auch gleichzeitig konkreter Druck auf die Industrie und den Energiesektor für eine Veränderung ausgeübt. Der Prozess zum Umbau der Wirtschaft kann also dadurch beschleunigt werden. Je höher der Preis für den Ausstoß einer Tonne CO2 ist, desto eher werden betriebliche Maßnahmen ergriffen, um weniger Emissionen zu produzieren. Spätestens wenn der Preis für eine Tonne CO2 den Betrieb mehr kostet als die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen wird es günstiger CO2-neutral zu wirtschaften.


ForTomorrow als Gemeinnütziges Unternehmen


ForTomorrow unterscheidet sich von anderen Anbietern von Kompensationsmaßnahmen neben dem starken lokalen Fokus auch durch die Gemeinnützigkeit. Als gemeinnützige GmbH darf das Unternehmen nicht den Hauptzweck der Gewinnerzielung haben. Selbstverständlich kann das Unternehmen dennoch Gewinne erzielen, allerdings dürfen diese nicht an Gesellschafter ausgeschüttet werden, sondern müssen für den gemeinnützigen Zweck des Unternehmens verwendet werden. Darüber hinaus verspricht das Unternehmen nur 15 Prozent der gespendeten Gelder für interne Zwecke, wie Gehälter, Werbungs- oder Verwaltungskosten zu verwenden. Die restlichen 85 Prozent fließen also direkt in die Klimaschutzmaßnahmen.


Unterstützen der Organisation


Neben dem Kompensieren lässt sich die Organisation auch praktisch unterstützen. Auf ihrer Webseite finden sich dafür konkrete Gesuche nach hilfsbereiten Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Gesucht werden beispielsweise Fotograf:innen, Webdesigner:innen oder Menschen, die bei einer Anerkennung der Gemeinnützigkeit im Ausland rechtsberaterisch tätig werden können. Wenn Du Dich mal umgucken willst, ob vielleicht auch Deine Fähigkeit gebraucht wird, kannst Du mal hier vorbeischauen. Aber auch wenn Du Dich nicht in dieser Liste wiederfindest, kannst Du Dich jederzeit bei ForTomorrow melden. Außerdem will die Organisation bald zusammen mit der Community Baumpflanztage veranstalten, an denen Interessierte ebenso mithelfen, Setzlinge zu setzen und ein neues Waldstück zu erschließen.


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